Die brandneue Johannus LiVE 2T im Expertentest von Hans-Dieter Karras.
Es war nur eine Frage der Zeit, dass Johannus ein weiteres Modell der LiVE Familie herausbringen würde. Denn der Erfolg der LiVE III forderte geradezu nach einem bezahlbaren kleineren Modell. Dieses ist nun seit Ende letzten Jahres auch auf dem Markt. Wir durften die neue LiVE 2T beim Orgelhaus Kisselbach in Baunatal ausführlich unter die Testerlupe nehmen.
JOHANNUS LiVE 2T
Johannus hat sich bei der Konfiguration der LiVE 2T beileibe nicht mit dem Abspecken und Reduzieren von teuren Komponenten beschäftigt. Man hat das System so umgestrickt und teilweise neu entwickelt, dass die Reduktion keine Nachteile mit sich bringt und sogar einiges anders macht, als bei der großen Schwester. Die Hauptplatine, die Stimmenplatinen und auch der Nachhall wurden speziell für dieses Modell neu entwickelt und auch das Audiosystem wurde optimiert. Das Klangerzeugungs-System „DS-Core“ selbst ist dabei aber unverändert übernommen worden, und der Käufer erhält auch mit der LiVE 2T zwei vorinstallierte Samplesets berühmter Orgeln. Das Konzept einer Orgel mit hervorragenden Samples von berühmten Orgeln ist aber hier weiter gedacht und entfernt sich etwas von der Hauptwerk-Philosophie, was ich aber gut finde. Es wäre doch schade, wenn eine so große Orgelschmiede wie Johannus einfach nur auf eine erfolgreiche Schiene aufspringen würde… Aber keineswegs: Man denkt hier weiter und präsentiert eben ein Serieninstrument, mit dem man konsequent spielen kann, ohne sich um Technik und andere Dinge einen Kopf zu machen. Einschalten und Spielen, das ist es nämlich was viele Orgelspieler wollen, aber eben auch bestimmte außerordentliche Orgeln in ihren akustischen Originalumgebungen spielen und hören können.
Nun ist es bei Hauptwerk ja so, dass man ein Instrument möglichst original und mit allen Limitationen und speziellen Eigenschaften einfangen und präsentieren möchte, obwohl viele Sets Extensionen haben, um die Einschränkungen eben dann doch aufzuweichen. Johannus setzt hier auch an und hat ein Instrument kreiert, welches grundsätzlich immer dieselbe Registerzahl, nämlich 44 klingende Stimmen besitzt. Man spart sich damit die immer noch sehr teuren kleinen Register-Displays der LIVE III. Die Auswahl der Grunddisposition erfolgte dabei nach einer eingehenden Analyse der meist benötigten Register in der Literatur und Improvisation und in Abhängigkeit von den Orgeldispositionen der Samplesets. Je nach geladener Orgel variieren natürlich die Stimmen hinter den Registerwippen, was auch im Haupt-Display der Konsole ersichtlich ist. Je nach Größe des Samplesets einer Orgel werden dann die eventuell verbleibenden nicht benutzten Register durch entsprechende, zum Stil der Orgel passende Register aufgefüllt. Man hat also, egal welche Orgel man geladen hat, immer 44 Register zur Verfügung. Natürlich sind die 44 Register dann auch die Limitation für weitere Samplesets, mehr Register gehen nicht. Für eine zweimanualige Orgel ist diese Anzahl aber auch mehr als ausreichend. Laut Johannus sollen neben den schon bekannten Samplesets (u.a. Bätz, Utrecht Dom und Silbermann, Kathedrale Dresden) auch neue, ganz spezielle Sets für die LIVE 2T angeboten werden. Wegen momentanen Personalengpasses in der Audio-Abteilung ist man aber etwas im Verzug mit dem Editieren derselben. Wie auch in der LIVE III können weitere Orgelsets auf USB-Stick erworben werden. Die Orgel installiert nach dem Einstecken des Sticks das neue Set selbsttätig. Die Sets sind im Übrigen mit einem Kopierschutz versehen, der an die eigene Orgel gebunden ist, um unbefugtes Kopieren zu unterbinden.
Die Konsole
Die LIVE 2T ist typisch für die modernen Spieltische ohne Seitenwangen und ohne Rolldeckel ausgeführt. Die Klaviaturen treten hervor und das durchscheinende Plexiglas Notenpult gibt der Konsole zusätzlich eine optische Leichtigkeit. Die seitlichen länglichen Klang-Austritte für das Audiosystem sorgen nebenbei für einen netten optischen Effekt, und auch die etwas größeren Ambience-Lautsprecher, diesmal am Notenpult untergebracht, sind ein Hingucker. Die Kunststoff-Klaviaturen fühlen sich gut an und lassen sich auch gut bespielen, es gibt aber optional natürlich auch bessere Lösungen. Schon die optional lieferbare Elfenbeinnachbildung auf den Tasten gibt ein besseres haptisches Gefühl. Als weitere Option kann man dazu auch Holzkern-Tasten bekommen, das wertet das Spielgefühl enorm auf, ohne dass es gleich Vollholzklaviaturen sein müssen. Ich würde auf jeden Fall zu der Tastatur mit den elfenbeinartigen Oberflächen raten (auch ohne Holzkern). Den hohen Aufpreis für Vollholztastaturen sollte man dann lieber in ein weiteres Sampleset stecken.
Die Eiche-Konsole ist übrigens in acht verschiedenen Beizen lieferbar und damit an jede Umgebung und jeden Geschmack anpassbar.
Die Abstrahlung
Das neue Audiosystem hat einen großen Anteil an dem Spaß, den man mit dieser Orgel haben kann. Optimiert auf eine Konsole mit seitlicher Hauptabstrahlung und nach vorn gerichteten Ambience-Lautsprechern ermöglicht es zum Einen eine sehr differenzierte Klangdarstellung, und das in vier verschiedenen Hörpositionen, andererseits aber auch einen enormen Schalldruck bei trotzdem sehr klarem Klang. Die hauseigene Steuerung DEA II gibt die Signale an ein 6.1 Audiosystem, bestehend aus 2 Surround-, 2 Front- und 2 Rear-Kanälen weiter. Die Verstärkung erfolgt durch 2 Verstärker mit je 10 Watt, 4 weitere Fullrange-Verstärkern mit je 80 Watt und einen Tiefton-Verstärker mit 170 Watt Leistung. Diese Verstärker treiben insg. 7 Lautsprecher an (2 x Ambience, 4 für die Hauptkanäle und 1 Subwoofer). Ein Nachhallsystem LIVEreverb II sorgt für unterschiedliche Raumdarstellungen unabhängig vom Originalhall der Samplesets. Dazu kommen gesampelte Hörpositionen, welche ein Hören von unterschiedlichen virtuellen Positionen errmöglichen, entweder direkt am Spieltisch, etwa 10 Meter vor dem Orgelprospekt, mitten in der Kirche oder am Ende des Kirchenraumes.
Soweit ich mich erinnern kann, weil ich dort auch schon konzertiert habe, hat gerade die Dresdner Kathedrale (früher Hofkirche) eine sehr besondere und spezielle Akustik mit sehr langem Nachhall und sehr unterschiedlichen Abklingzeiten der verschiedenen Frequenzen. Meiner Meinung nach ist das Sampleset der Silbermannorgel dieser Kirche relativ nah aufgenommen, um wohl den Tücken dieser Akustik zu entgehen. Allerdings macht gerade die Authentizität der Orgeln in ihrem natürlichen Raum den Reiz von Orgelsamplesets bei Hauptwerk aus. Hier bei der Johannus-Orgel geht man den Kompromiss ein, verschiedene Hallumgebungen wie bei allen digitalen Serienorgeln zu ermöglichen. Natürlich kann man den Originalhall einstellen, aber der kommt mir eben momentan noch nicht ganz authentisch vor. Zumindest bei der Silbermann Orgel der Hofkirche, die anderen Samplesets kenne ich nicht im Original. Für dieses Set soll bis zum Erscheinen dieser Ausgabe aber auch bereits ein Update verfügbar sein, zunächst für die LiVE III, ab Ende Februar ist das Set wird das Set dann auch für die LiVE 2T lieferbar sein.
Die Möglichkeit hochwertige Raumabbildungen (Convolution Hall) von kleinen Räumen, Konzertsälen, Kapellen, Kirchen und Kathedralen separat einstellen zu können, ist schön und interessant und ermöglicht es auch, mit einem Set verschiedene akustische Umgebungen ausprobieren zu können. Hier ist eben auch der Unterschied zu Hauptwerk besonders deutlich.
Die Ausstattung
Das Johannus-System punktet natürlich mit der Fähigkeit zum „Anstellen und Losspielen“, sowie besonders kurzen Ladezeiten zwischen den Samplesets. Den Klang beeinflussen bei der LiVE außerdem verschiedene Komponenten wie der Blasebalg Simulator für einen lebendigen Orgelwind, Authentic Tuning für die Originaltemperierung und Stimmung der Samplesets, LiveTune, die Ansprachendynamik der Pfeifen, Virtual Pipe Positioning oder 3D Division Positioning, mit denen sich die Pfeifen oder Werke akustisch positionieren lassen.
Zahlreiche historische Temperierungen gibt es natürlich auch, unabhängig von der Originaltemperierung des Samplesets, kann man zwischen 12 verschiedenen wählen: Original, Equal, Young II, Vallotti, Kirnberger III, Kirnberger II, Neidhardt III, Werckmeister III, 1/6 Komma Mitteltönig, 1/5 Komma Mitteltönig, 1/4 Komma Mitteltönig, Pythagorean. Und eine eigene User-Temperierung kann auch erstellt werden, wenn man dazu in der Lage ist.
Wenn man sich überlegt, was reine Hauptwerkspieltische schon alleine ohne Technik und Audiosystem dahinter kosten können, ist das Johannus LiVE System auch aus Kostensicht absolut empfehlenswert. Hier ist die gesamte Technik aufeinander abgestimmt und funktioniert reibungslos. Außerdem ist das Audiosystem perfekt optimiert und besonders klangvoll. Je mehr Samplesets zu bezahlbaren Preisen dazu kommen, desto interessanter wird das System werden.
Zur weiteren Ausstattung der LiVE 2T: Am Spieltisch haben wir die üblichen Pistons für Sequenzer, Setzer, Festkombinationen, Hörpositionen (Console, Front, Center, Rear), Zungen ab, Cantus firmus, Manualbass, Koppeln und Tremulanten, Transposer, Crescendo, General Swell (alle Schweller auf einen Schwelltritt), Orgel Volume und Recall (Nullsteller). Der Setzerspeicher umfasst insgesamt 250 Bänke für 5 Orgeln, also 50 Bänke pro Orgel und mit jeweils 8 Speicherplätzen pro Bank. Diese kann man per Sequenzschaltung auf- und absteigend durchschalten.
Die Festregister pp-p-mf-f-ff-T-PL sind programmierbar und damit zusätzlich nützlich, um Standard Registrierungen für bestimmte Lautstärken nach eigenem Geschmack festlegen zu können. Die Schwelltritte sind ebenso programmierbar, wie auch das General Crescendo (Walze). Diese sind Johannus-üblich aus Holz. Fußpistons sind leider Option, diese hätten bei einer solchen Orgel meiner Meinung nach durchaus zum Standard gehören können. Bei den Pedalen kann man zwischen verschiedenen Ausführungen wählen, wobei ein 32-töniges Pedal erst einmal so nicht vorgesehen ist. Dafür kann man aber eine doppelt geschweifte Version optional erhalten. Nach langen Dienstjahren bevorzuge ich selbst übrigens gerade Pedale.
Schön, dass es eine serienmäßige LED-Pedalbeleuchtung gibt. Das wird nämlich oft vernachlässigt und führt dann zu abenteuerlichen Eigenkonstruktionen der Organisten. Die normale serienmäßige Bank kommt ohne Höhenverstellung und mit einem offenen Notenfach. Letzteres ist mir eigentlich egal, ob offenes Fach oder mit Klappe, aber die Höhenverstellung sollte so langsam doch einmal Standard werden. Man sollte nicht immer davon ausgehen, dass nur der Eigner dieses Instrument spielt. Bei öffentlichen Einrichtungen oder Kirchen sowieso nicht. MIDI, Audio und Kopfhörer Anschlüsse runden wie üblich das Gesamtbild ab.
Momentan sind für die LiVE-Serie folgende sechs Samplesets zu erhalten: H. Willis & Sons, 1910 (II/P, 29 Reg., Lady Chapel der Kathedrale Liverpool), Michaël Maarschalkerweerd, 1896 (III/P, 38 Reg., Liebfrauenbasilika Zwolle), Arp Schnitger, 1686 (III/P, 46 Reg., Ludgerikirche Norden), Gottfried Silbermann, 1750 (III/P, 47 Reg., Kathedrale, frühere Hofkirche, Dresden), Johan und Jonathan Bätz, 1825–1831 (III/P, 49 Reg., Domkirche, Utrecht), Aristide Cavaillé-Coll, 1884 (III/P, 52 Reg., Notre-Dame d’Auteuil, Paris). Die Broschüren mit den Dispositionen sind im Internet auf der Johannus Seite einzusehen (www.johannus.com). Wem die Orgelsamplesets nicht genügen, der kann die von Johannus bekannten Instrumental- und Orchestererweiterungen dazu kaufen. Das Premium Voice Package enthält Chimes, Flute, Panflute, Tuba, Trumpet, Oboe und Clarinet. Im Platinum Voice Package kommen dann noch Gospel Organ I (Full) und II (Jazz), Piano, Harp, Harpsichord (Cembalo) und Strings hinzu.
Fazit
Mit der LiVE 2T bietet Johannus nun auch eine zweimanualige Orgel in der neuen LiVE-Reihe an. Das neue Konzept wird damit noch etwas erschwinglicher, denn nicht jeder braucht eine dreimanualige Orgel. Die 2T erlaubt die Verwendung der gleichen Samplesets, bietet eine sehr gute Abstrahlung und eine komplette Ausstattung. Vieles Weitere kann man natürlich über die Optionsliste ergänzen. Aber auch in der Grundversion ist die LiVE 2T bereits ein tolles Instrument, das mit den Samplesets der Dresdner Hofkirche und der Domkirche zu Utrecht bereits umfassende Spielmöglichkeiten offeriert. Der Preis von 11.995,- EUR ist für eine Orgel dieses Potenzials angemessen, wenngleich er mit diversen Optionen auch noch deutlich nach oben getrieben werden kann. Johannus‘ LiVE Konzept ist eine interessante Alternative zu reinen Hauptwerk-Lösungen und eine gute Empfehlung für alle, die „Plug & Play“ bevorzugen.
Hans Dieter Karras